Biel zum zehnten Mal (Bericht Konrad Waßmann)
Am 12. Juni 2009 war es soweit, ich konnte ein kleines Doppeljubiläum feiern. Zum zehnten Mal startete ich beim Bieler Nachthunderter. Zusammen mit meinem Marburger Nachthunderter im Jahr 2000 bin ich elf Mal auf der langen Strecke gestartet und zum zehnten Mal erfolgreich ins Ziel gekommen. Nur einmal musste ich schon nach 56 km in Kirchberg aufgeben.
Doch der Reihe nach. Die Bahn aus Eisen brachte mich pünktlich (!!!) und problemlos nach Biel (und hier sei es schon verraten: auch wieder zurück). Vier Stunden vor dem Start war ich an der vertrauten Eissporthalle und wenig später angemeldet. Schon jetzt machten sich einige Läufer für das Rennen fertig. Vier Stunden Aufwärmen ist mir aber zu viel. Eine Stunde vor dem Start war niemand mehr zu halten. Überall wurde gesalbt, abgeklebt, gepudert, gezupft, Fußnägel geklippt und selbst intimste Körperstellen recht öffentlich für den Lauf vorbereitet. Chemikalien jeglicher Provenienz wurde eingerieben. So ähnlich muss es in einer altägyptischen Mumifizierungsanlage zugegangen sein.
Pünktlich um 22:00 Uhr erfolgte bei bestem Laufwetter der Start. Zunächst führt die Strecke durch Biel, begleitet von vielen Zuschauern. Dann geht es raus in die Dunkelheit. Dort warten auch die ersten Anstiege, schließlich sind wir im Schweizer Jura. Der Himmel war sternenklar, wie man ihn in Deutschland kaum sehen kann. Im Bieler Umland ist es ländlich. Es gibt kaum Lichtverschmutzung. So konnte sich die Milchstraße in voller Pracht entfalten. Gegen 01:00 Uhr wurde es hell. Nein, die Sonne war nicht zu früh, es war der Mond, der einen grandiosen Auftritt hinlegte. Obwohl nur zu zwei Dritteln vorhanden, strahlte er so hell er konnte und beleuchtete die nächtliche Strecke. Eigene Beleuchtung war überflüssig. Trotzdem kommen viele Läufer nicht ohne Licht aus. Blickt man nach vorn, dann sieht man, die roten Rücklichter der Begleitfahrräder wie eine Laternenprozession den Weg weisen. Der Blick zurück fällt auf zahlreiche Stirnlampen. Es sieht aus, als würden die Bergarbeiter einer Kohlenzeche einen nächtlichen Betriebsausflug machen. Die LäuferInnen haben seit Stunden ihren Rhythmus gefunden. Ruhig ziehen wir unsere Bahn.
Rechtzeitig vor Kirchberg erhellt sich der Horizont. Es geht auf den Ho Chi Minh Pfad. Der Weg heißt so, weil er auf einem Damm entlang der Emme führt und gespickt ist mit großen Steinen und verschlungenen Wurzeln. Zudem ist er äußerst wellig und zum Teil nur als Trampelpfad erkennbar. Jeder Schritt muss genau geplant werden. Die Vögel sind mittlerweile aufgewacht und begleiten unseren Lauf mit ihrem munteren Gesang. Jeder versucht jeden zu übertönen. Die Sonne will dem Mond nicht nachstehen und legt über dem Bodennebel einen Bilderbuchaufgang hin. Schöner kann es auf keiner Kitschpostkarte aussehen. Dieser Streckenabschnitt ist und bleibt das Nonplusultra des Laufs. Weiter geht es in großer Linkskurve Richtung Biel. Die anfangs überwundenen Hügel müssen nun erneut überlaufen werden, um durch Schweizer Postkartenidylle zurück an die Aare zu kommen. Der Fluss fasziniert mit klarem, leicht grünem Wasser. Die Sonne strahlt mit Macht und treibt die Temperatur in die Höhe. Nur gut, dass die letzten Kilometer durch einen kühlen Wald führen. Endlich ist das Ziel an der Eishalle erreicht. Überall erschöpfte aber glückliche Gesichter. Alle sind froh, das große Abenteuer erfolgreich überstanden zu haben. Der Zivilschutz hat eine mobile Dusche erster Qualität aufgestellt. Was für eine Wohltat nach mehr als zwölf Stunden auf den Beinen. Es gibt einen alten Spruch der lautet: „Läufer, irgendwann musst Du nach Biel.“ Der Spruch stimmt auch beim zehnten Mal noch.
Konrad kam in diesem Jahr in einer Zeit von 12 Std 35 Min 27 Sek ins Ziel und belegte den 615. Platz. (Anm. Red.)
Aufbereitung Bericht für LLG-HP: Antje + Olaf Kucher