9. Grossglockner Berglauf 2008

Bericht Norbert Tesch | Fotos | Links

 

Grossglockner Hochalpenstraße Grossglockner Mountain Race 2008

Wahrhaftig ein internationales Ereignis: Am Samstag nachmittag sitzen wir im Zelt auf dem Eventgelände in Heiligenblut an der Südseite der Großglockner Hochalpenstraße und zählen die Herkunftsländer der Teilnehmer. Selbstverständlich sind alle Nachbarländer von Österreich vertreten, aber auch Teilnehmer aus den USA, England, der Türkei und der Berglaufweltmeister Jonathan Wyatt aus Neuseeland. Letzterer war kurz vorher noch voll beim Anfeuern und der Preisverleihung für die zahlreichen Kinder und Jugendlichen dabei, die mit den 1000 Teilnehmern am morgigen Berglauf und deren Begleitpersonen angereist sind. Bei der nun folgenden Startnummernverlosung für die prominenten Läufer zieht er - rein zufällig? - die Nummer 1.

Als Highlight in unserem Österreichurlaub hatte ich einen Berglauf gesucht und eine echte Perle gefunden! Direkt am höchsten Berg Österreichs, dem Großglockner mit 3798m gelegen, fanden hier in 2005 die Berglauf-Europameisterschaften statt. Die Strecke ist sehr anspruchsvoll, auf den 13 km von Heiligenblut (1247m) bis zur Kaiser Franz Josefs Höhe (2370m), direkt vor dem Großglockner gelegen, sind rund 1.500 Höhenmeter zu überwinden.

Da wir im Urlaub nur zwei Täler weiter wohnen ist die Anreise kein Problem. Samstag vormittag setzen wir (Silvia und Norbert, Natalie und Tobias) uns in das Auto und fahren über die Großglockner-Hochalpenstraße, die für sich alleine ein Erlebnis ist, nach Heiligenblut, dem Startpunkt des Rennens. Die berühmteste Alpenstraße führt einen auf 48km mit 36 Serpentinen bis auf 2504(!)m. An den verschiedenen Informationszentren und auf den Wanderwegen könnte man einen ganzen Tag verbringen. Kehrseite der Medaille ist, dass die Passagiere auf der Rückbank auch bei umsichtigster Fahrweise eine gewisse Übelkeit verspüren, die sofort in üble Laune transformiert wird und das Vergnügen schmälert. Silvia ist enttäuscht, weil sie Murmeltiere erwartet, aber noch keins gesichtet hat. Also fahren wir mit nur einer Pause durch und sind schon am frühen Mittag in Heiligenblut.

Da der Start am Sonntag bereits um 10:00 Uhr ist, haben wir eine Übernachtung eingeplant. Unser Quartier liegt in einer Pension nur 200m vom Start- und Zielbereich entfernt, was sich als sehr vorteilhaft erweist. Alle Wege - zur Startnummernausgabe, zur Pasta-Party und natürlich zu den Läufen sind kurz und schnell zu Fuß zurückzulegen und wir können schnell "mal eben" in das Zimmer gehen, um etwas zu holen, uns umzuziehen oder zu duschen. Noch dazu ist diese Variante auch preislich attraktiv, weil sich beim "Läuferpaket", das Start und eine Übernachtung beinhaltet, die Startgebühr von 50,- Euro auf 35,- Euro reduziert. Auch für die Begleitpersonen gibt es Komplettangebote, in denen die Gutscheine für die Verpflegung vor und nach dem Lauf sowie die Transfers enthalten sind.

Das Wetter am Samstag ist ausgezeichnet - was leider nicht auf unseren Urlaub insgesamt zutrifft - und wir melden uns alle noch zu Läufen an, die im Rahmenprogramm am Samstag nachmittag ab 15:00Uhr starten. Zunächst sind Silvia und ich beim "Gsund"-Lauf über 5,3km dabei, eine Rundstrecke für jedermann im landschaftlich schönen Tal Richtung Glockner, vorbei am Kachelmoor und zurück durch eine schöne schattige Waldpassage, die etwas crossig und doch nicht so leicht ist, wie ich angenommen hatte. Selber laufe ich die Strecke schön langsam als letzte Vorbereitung für den nächsten Tag und komme mir ein bisschen komisch vor, da mich immer wieder einige Zuschauer entlang des Weges anfeuern. Silvia, die sich bis zuletzt nicht ganz sicher war, ob sie überhaupt läuft, schlägt sich ausgezeichnet. Den ersten Preis gibt es gemäß dem Motto des Laufes für den Teilnehmer, der der Durchschnittszeit am nächsten ist.

Nun kommen die Kinder- und Jugendläufe und da Natalie noch teilnahmeberechtigt ist und mehrere Altersklassen in einem Lauf zusammengefasst werden, hat sie sich entschlossen mit Tobias zu starten. Es geht über eine kleine und zwei große Runden - insgesamt 2000m - rund um das Eventgelände und mit einer ordentlichen Steigung in der zweiten und dritten Runde. Bereits nach der zweiten Runde kommen beide nebeneinander an zweiter und dritter Position an uns vorbei, daran ändert sich auch bis zum Ende nichts mehr. Aufgeschlüsselt nach Altersklassen gewinnen beide den ersten Platz in einer schnellen Zeit - Natalie ( ), Tobias ( ).

Am Abend bereitet sich Natalie mit einem Buch im Bett mental auf den nächsten Tag vor, während ich mit Silvia noch einen Spaziergang mache, der natürlich schon wieder den Berg rauf und runter geht - von hier aus ist nichts anderes möglich.

Beim Berglauf am Sonntag steht der Spaß im Vordergrund, aber mit der Zeit wollen wir am Ende ja auch zufrieden sein. Ist es realistisch, bereits beim ersten Mal eine Zeit unter 2 Stunden anzupeilen, die sich viele, die nicht zum ersten Mal teilnehmen, als Ziel gesetzt haben? Sicher bin ich mir da nicht und am Morgen zunächst etwas aufgeregt, weil ich nicht weiß, was da auf uns zukommt.

Das gute Wetter soll sich noch bis zur Zielankunft halten, danach ist Regen angesagt. Von der Strecke kennen wir nur das Höhenprofil und die Positionen der 4 Versorgungsstationen. Aber wie ist die Beschaffenheit? Unser Wirt, der noch nie selber die Strecke gewandert ist, verwirrt uns beim Frühstück noch zusätzlich - aber seine Beschreibung ist viel zu einfach und unglaubwürdig. Ganz sicher wissen wir wenigstens, dass es die letzten 800m nur noch Stufen hinaufgeht – mit 250m Höhendifferenz(!) - und wir dafür Reserven bereit halten müssen.

Natalie lässt sich von meiner Nervosität nicht anstecken, obwohl das ihr längster Wettkampf bisher ist und auch ich verspüre jetzt – ca. 30min vor dem Start - nur noch die positive Aufregung vor einem ganz besonderen Lauf. Der Start soll in 2 Blöcken erfolgen, der erste mit 400 Läufern um 10:00 Uhr und der zweite mit 600 nur 10 Minuten später.

Bei Temperaturen um 20°C und Sonnenschein starten wir beide um Punkt 10:00 Uhr im ersten Block. Aus Heiligenblut hinaus geht es die ersten 1,5 km auf einer schmalen asphaltierten Straße hinaus, die schnell immer steiler in Serpentinen den Berg hinauf führt. Bereits auf diesem Abschnitt macht es Sinn, hin und wieder eine kleine Gehpause einzulegen, da man laufend nicht schneller wäre, als gehend. Die Sonne ist ein bisschen zu warm aber dennoch ein willkommener Gast. Nach ca. 3,5 km ist der Asphalt zu Ende und der nächste Teil des Weges mit kleinen Schottersteinen belegt, auf denen man aufgrund der Steigung leicht abrutscht. Bald geht es in den Wald hinein und fortan bis zum Ziel nur noch auf kleinen Wanderwegen. Nach der ersten steilen Waldpassage erreichen wir die Station 1 bei km 4,3 und haben bereits die ersten 422hm geschafft.

Nach der ersten Erfrischung mit Wasser, Bananen und Schwämmen, die wir gehend genießen, kommt eine gut laufbare Passage auf einem hügeligen Wiesenweg bevor bei km 6 zwei sehr steile Waldpassagen mit einem Wasserfall und insgesamt rund 300hm auf uns warten. Der Boden ist feucht und man muss sich auf jeden Schritt konzentrieren. Zum Glück sind unsere Schuhe griffig genug. Das Überholen ist schwierig, da der Weg sehr eng ist und im Angesicht des noch Kommenden beschränken wir es auf das Notwendigste.

Wir kommen aus dem Wald heraus und erreichen Station 2 bei km 6,5 auf 1874m Höhe. Nach der obligatorischen Erfrischung ist es nur noch ein kleines Stück, bis wir die Baumgrenze hinter uns gelassen haben. Der Weg ist sehr felsig geworden, lässt sich aber gut laufen bzw. - an den Steilstücken - gehen. Das Bergpanorama zu genießen müssen wir uns leider verkneifen, weil das allzu schnell einen Fehltritt nach sich zieht. Ich fühle mich wie nach der ersten Hälfte eines gut dosierten Halbmarathons. Natalie lässt keine Zeichen von Schwäche erkennen und kann sich gut mit mir unterhalten. Wir beschließen, bis zur finalen Treppenpassage 800m vor dem Ziel zusammen weiter zu laufen und kommen dabei über kleine, schwankende Hängebrücken bis wir am Gletschersee Station 3 bei km 9,1 auf einer Höhe von 2000m erreichen. Mittlerweile ist es mit ca. 12°C ziemlich kühl geworden.

Wie ein Tausendfüßler oder - von oben von Silvia und Tobias gesehen - wie eine lange Kette bunter Ameisen zieht sich das Feld nun durch das gigantische Gletschertal. Während die beiden endlich die langersehnten Murmeltiere sehen, ist für uns bis zu einem weiteren kleineren See am Fuße des Gletschers nochmal eine sehr lange Steigung mit mehr als 200hm zu überwinden. Ich sehe den Tausendfüßler weit über mir am langen Felshang und beschließe lieber nicht mehr dort hinzusehen um die Motivation zu erhalten und den Augenblick zu genießen ...

NorbertDanach geht es über eine weitere kleine, stark federnde Hängebrücke. Der markierte Weg ist nun nicht mehr überall eindeutig zu erkennen. In großen und kleinen Kehren geht es über und zwischen großen Felsen hindurch und einige nutzen die Gelegenheit über kleinere, steilere Stücke abzukürzen um zu überholen. Plötzlich ist Natalie ein paar Läufer hinter mir und ich nutze die Gelegenheit, um ein paar Meter langsamer zu laufen und zu regenerieren bis sie aufgeholt hat. Wir sind auf 2100m Höhe und ich habe das Gefühl, dass ich nun häufiger atme, als normalerweise. Eine Streckenmarkierung: Noch 1 km! Kurz danach kommen wir bei Station 4 am Fuße der Franz Josefs Höhe an und stärken uns noch einmal flüchtig, denn bald haben wir es geschafft.

NatalieDabei verliere ich Natalie kurz aus den Augen und auf einmal ist sie einige Läufer vor mir am Berg. Ich laufe über eine Matte für die Zeitmessung, die anzeigt, dass nun der letzte und härteste Streckenabschnitt mit 250hm auf nur 800m Länge beginnt. Hierfür gibt es eine Extrawertung, die für uns aber nicht interessiert ist. Es handelt sich um eine Treppe, die teilweise in den Fels geschlagen ist und in engen Windungen empor führt. Die Stufen sind hoch und bestehen aus Erde und Fels, den Abschluss der Stufen bilden dicke Holzbretter. Am besten tritt man beim Hochlaufen immer nur auf die Kanten. Die Treppe ist meist so breit, dass zwei der schmalen Läuferfiguren nebeneinander passen, wobei der Äußere aber besser nicht hinunterschaut.

NorbertNun kommt fast alle hundert Meter ein Schild mit der Entfernung zum Ziel, das einem Fortschritt signalisiert. Einerseits angenehm, andererseits ernüchternd, denn so spürt man, wie sich 100m ziehen können. Da ich Natalie vor mir weiß, konzentriere ich mich nur noch auf mein Hochkommen. Angesichts der Tatsache, wie schön der Lauf und wie schnell wir waren – ein Blick auf die Uhr zeigt, dass die Endzeit in jedem Fall unter 2h liegen wird – und in freudiger Erwartung des Zieles entsteht ein Hochgefühl, das mir den Berg hoch hilft und die nötige Sicherheit gibt noch einige Läufer auf der Treppe zu überholen. Ich sehe Tobias, der Natalie und mich auf den letzten Metern fotografiert. Am Ende der Treppe angekommen sind es noch reichlich 50m auf einem etwas breiteren Weg bis ich erschöpft und glücklich durch das Ziel laufe.

Im Ziel wird uns eine Medaille und eine Fleece-Decke umgehängt, was angesichts des nun bewölkten Himmels und der 10°C Außentemperatur äußerst angenehm ist. Natalie ist einige Sekunden vor mir angekommen und hält schon einen Trinkbecher in der Hand. Neben der üblichen Zielverpflegung gibt es auch heißen Tee und Brühe. Wir treffen Silvia und Tobias am Rande des abgesperrten Bereiches und nehmen uns reichlich Zeit zu verschnaufen, uns über unsere Zeiten zu freuen und vom Lauf zu erzählen. Das Wetter hat zum Glück gehalten, aber die Spitze des Großglockners bleibt wie schon am Vortag wolkenverhüllt. Ansonsten herrscht gute Sicht auf die Berge und den Gletscher und ab und zu bricht kurz die Sonne durch. Jetzt können wir die Aussicht so richtig genießen.

Natalie läuft eine Zeit von 1:54:14h und einen Schnitt von 9:01min/km (238. Gesamteinlauf). Meine Zeit liegt bei 1:54:37h und 9:03min/km (245. Gesamteinlauf). Weil Natalie vielleicht eine gute Platzierung in ihrer Altersklasse erreicht hat, warten wir nach der gemeinsamen Zielverpflegung für Läufer und Begleitpersonen noch auf die Siegerehrung, die im Parkhaus neben dem Ziel stattfindet. Tatsächlich gewinnt sie als erste in der W19 noch ein Andenken, etwas geschmälert wird die Freude aber dadurch, dass sie überraschenderweise die einzige Teilnehmerin in dieser Alterklasse ist. Besser lässt sich ihre Leistung durch einen Blick auf die Frauen-Gesamtwertung einordnen. Hier erreicht sie trotz der anwesenden internationalen Berglaufelite einen hervorragenden 21.Platz bei 120 Starterinnen.

Familie TeschNach einem abschließenden Besuch im Souvenirshop nehmen wir gemeinsam den Shuttle-Bus zurück nach Heiligenblut. Dort ist für die Teilnehmer ein freier Besuch im Hallenbad möglich, den Natalie und ich zum Regenerieren und Duschen gerne wahrnehmen.

Auf der Heimfahrt in unsere Ferienwohnung reden wir noch viel über das Erlebte. Den Lauf können wir guten Gewissens weiter empfehlen und sollte sich die Gelegenheit nochmal ergeben, würden wir hier sicher wieder mitmachen!

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Fotos: Fotos Grossglockner Berglauf 2008 von Familie Tesch

Links: Grossglockner Berglauf ORF-Bericht Video