Comrades-Marathon 2008
(Der weltweit größte Ultra-Marathon)

Der Comrades-Marathon | Bericht Gerd | Fotos | Links

 

Das offizielle PosterDer Comrades Marathon von Wolfgang Menzel

Zu den Besonderheiten des Laufes gehört, dass er jedes Jahr die Richtung wechselt. Dieses Jahr (2008) führte er aus der Millionenstadt Durban am Indischen Ozean durch das "Land of thousand hills" nach Pietermaritzburg. Also ein up-run. Bei den down-runs wird in Pietermaritzburg gestartet und Durban ist das Ziel.

Am 24.5.1921 wurde der Lauf erstmals ausgetragen, im Gedenken an die im ersten Weltkrieg gefallenen Kriegskameraden (comrades). Gewonnen hat Bill Rowan in 8.59 h; 17 Finisher gab es damals. . Nur unterbrochen vom zweiten Weltkrieg fand dieses Jahr schon die 83. Austragung statt.
Auf 87,5 km sind insgesamt 45 Steigungen und knapp 1.800 Höhenmeter zu bewältigen. Die Strecke führt ausschließlich über Straßen und nur selten spenden Bäume Schatten. Der Juni ist in Kwa Zulu Natal mit theoretisch einem Regentag der regenärmste Monat. Noch nie sind mir ältere Comrades-Bilder mit schlechtem Wetter aufgefallen. Auch dieses Jahr war es trocken und strahlend blauerHimmel.

Was gibt es sonst noch anzumerken? Der Bedeutung entsprechend, wird der Lauf 12 Stunden live im Fernsehen übertragen. Das Startgeld beläuft sich für die Ausländer auf 150 US $. Alle Afrikaner zahlen 150 Rand (ca. 19 €). Die down-run Rekord hält bei den Männern seit 20 Jahren Bruce Fordyce in 5:24:07 und Frith van der Merwe bei den Frauen mit 5:54:43 aus 1989.
Der Comrades hatte bis 1999 11 Stunden Sollzeit. Anläßlich des Jubiläums wurde diese Sollzeit 2000 zunächst einmalig auf 12 Stunden ausgedehnt, um dann 2001 ff. wieder bei 11 Std. zu sein. Mittlerweile ist die Sollzeit generell bei 12 Stunden.

Erwähnen möchte ich auch noch ein paar Zahlen aus dem Jahr 2000 weil sie für einen Ultra unvorstellbar hoch sind. In der letzten Stunde finishten ca. 6000 Läufer, alleine in den letzten 6 Minuten 1.600 !!!!

Anmerkung Redaktion: 2008 gab es 11192 Teilnehmer und 8613 Finisher, der Sieger Leonid Shvetsov benötigte 5:24:47 h, die Siegerin Elena Nurgalieva benötigte 06:14:37 h.
Der nächste Comrades-Marathon findet am Sonntag, dem 24.5.2009 statt.

 

„Shosholoza“ - Comrades Marathon 2008 von Gerd Dürr

Ein Lauf voller Emotionen.

Es gibt zahlreiche Berichte über den Comrades Marathon in Südafrika. Schließlich bin ich nicht der erste Deutsche, der diesen „mörderischen“ Lauf erfolgreich absolviert hat, und schon gar nicht einer von den Schnellsten. Im Gegensatz aber zu den meisten Darstellungen fängt dieser Bericht mit dem Ende an. Somit wird gleich klar, warum es ein Lauf voller Emotionen war.

Im Ziel

Gerd, Wolfgang und eine StarterinIch stehe am 15.06.2008 abends in Pietermaritzburg bei lauwarmen Wetter, ausgelaugt aber glücklich im abgegrenzten Bereich für „international starters“, einem Zielbereich nur für ausländische Gäste und schaue auf die Leinwand, auf welcher die Aktivitäten aus dem Zielbereich wie bei einem „public viewing“ übertragen werden. Auf der beginnenden Zielrunde taumelt ein älterer weißhaariger Teilnehmer und versucht sich dabei an der Umrandung festzuhalten. Helfer, die ihm beistehen wollen, werden vom Veranstalter zurückgerufen. Das führt nämlich seit dem Jahr, als man einen Sterbenden über die Ziellinie trug, zur Disqualifikation. Immer und immer wieder strauchelt der Läufer, bricht fast zusammen, steht wieder auf und versucht verzweifelt, das Ziel zu erreichen. Die Zielkamera hält gnadenlos drauf und die Menge feuert den Sportkollegen unaufhörlich an. „Das darf nicht wahr sein“, kommen mir Bedenken.„Wo bin ich denn hier, im römischen „Circus Maximus“, oder wo?“. Ich bin zunächst entsetzt und meine, man sollte die Kamera wegschwenken. Doch die Mehrheit sieht das anders. Endlich, nach ungeheuren Qualen auf den letzten 400 Metern, erreicht der Kollege noch innerhalb der vorgeschriebenen 12 Stunden das Ziel. Ein nicht zu beschreibender Begeisterungssturm ergreift das Stadion, in welchem sich tausende Menschen befinden. Auch ich, der sich eher für einen rationalen und kontrollierten Menschen hält, werde von dieser Gefühlswelle erfasst - Gegenwehr zwecklos. Ich spende dem soeben ins Ziel getorkelten Läufer Beifall so laut es meine Kehle zulässt und klatsche, bis mir die Hände wehtun. Er hat es geschafft und ich bin schier begeistert. Ich freue mich riesig für ihn.

Was ist mit mir passiert? Ich weiß es nicht genau. Aber so ist er, dieser Comrades. Es ist nicht nur ein Lauf, es ist eine emotionale Achterbahnfahrt auf einer Länge von 87 Kilometern. „The Ultimate Human Race“, sagen die Südafrikaner, was immer das übersetzt bedeuten mag.

Zwei Tage vorher

Gerd und Jörg auf der StreckeIch besteige am 13.06.2008 mit Frank Richter aus Porz und Jörg Walter aus Emden einen der Busse für ausländische Starter, um die Strecke zu besichtigen – ein außergewöhnlicher Service für Gäste. Ein Amerikaner (Name entfallen) vom Runners World Magazin USA wird uns die Strecke erklären. Außer uns befinden sich noch zahlreiche Brasilianer im Bus, die von Anfang an eine Riesenstimmung machen. Für sie scheint das alles eher eine lockere Angelegenheit zu sein. Ach hätte ich doch etwas von dieser südamerikanischen Lockerheit. Ich dagegen verfalle angesichts der bevorstehenden bergigen und schattenlosen Strecke bei 28 Grad eher in grüblerisches Schweigen.

„The big five“, das sind die 5 schwersten Berge, wird uns erklärt. Ein Berg nennt sich „Cowies“, ein anderer „Bothas Hill“, der letzte und schwerste ist der Doppelhügel „Polly Shorts“ bei ungefähr 79 Km. Damit nicht genug. Die Gegend nennt sich auch noch „Land of the thousand hills“. O.K., o.K ,unser Respekt steigt ins Unermessliche. Gebannt folgen wir den Ausführungen unseres amerikanischen Guides in Englischer Sprache. Frank, Jörg und ich versuchen uns gegenseitig aufzumuntern. Jeden Berg, der von unserem amerikanischen Freund in den schillerndsten Farben möglichst grausam dargestellt wird, kommentiert der Ostfriese Jörg trocken und lakonisch mit dem Spruch: „Och, das habe ich mir aber schlimmer vorgestellt“. Jetzt lachen auch wir, was die Strecke so hergibt – und irgendwann frage ich Jörg, ob wir den Lauf nicht gemeinsam absolvieren sollen. Klar, sagt der, das könne er sich gut vorstellen.

„ Wall of Honour“

Das StreckenprofilNach der Hälfte der Strecke kommen wir an der „Wall of Honour“ vorbei, auf der hunderte von Comrades Teilnehmern und alle Gewinner auf kleinen Tafeln verewigt sind. Ich suche nach dem Namen meiner Vereinspräsidentin Birgit Lennartz von der LLG St. Augustin, Comrades Siegerin im Jahre 1999, kann aber ihre Tafel nicht finden. Mensch Birgit, wo hängt Deine Tafel? Ich kann hier kein alphabetisches oder anderes System erkennen.Das ist die Ehrentafel von Birgit - fotgrafiert von Christoph Randt

 

 

 

Comradesmuseum in Pietermaritzburg

ComradesmuseumAm Ende der zeitaufwendigen Unterweisung in die Strecke dürfen die Teilnehmer aus den vier Reisebussen das Comradesmuseum besichtigen. Jetzt wird mir deutlich, welche Bedeutung der Comrades hier in Südafrika hat. Sämtliche Sieger seit dem ersten Lauf im Jahre 1921 sind auf Ehrentafeln erwähnt. Es ist alles sehr pathetisch hier im Comrades House. Der „Erfinder“ dieses Laufes, der Weltkriegsveteran Vic Clapham, ist im Eingangbereich in Form einer großen Büste verewigt.

Einige Deutsche haben dieses Rennen auch schon gewonnen, wie ich beim Lesen der „Heldentafeln“ feststelle. Man nennt die Teilnehmer des Comrades hier in Südafrika wirklich Helden. Aber sind wir wirklich Helden frage ich mich, oder doch nur Jecke, wie man in Köln sagt. Ich weiß es nicht.

Ich finde den Namen von Charly Doll in der ewigen Siegerliste und natürlich auch Birgit Lennartz. Neben ihrem Bild lasse ich mich ablichten - habe ich sie also doch noch gefunden.

Pasta-Party

Die Pasta-Party findet am gleichen Abend in den noblen Räumen des „Kings Mead Cricketstadium“ von Durban statt. Alles wirkt sehr exklusiv und es sind nur ca. 250 Leute anwesend, die meisten davon Promis, Presse- oder Fernsehleute. Irgendwie hat es Werner Otto (Werner-Otto-Sportreisen) verstanden, uns hier ebenfalls unterzubringen. Eine junge südafrikanische Radiomoderatorin berichtet ausführlich über ihre ersten Comrades-Erfahrungen („ …komm Mädchen, das haben auch schon Andere durchgemacht, mach mal Schluss … “, denke ich im Stillen). Währendessen hoffen wir, dass die selbstverliebte Rednerin bald zum Ende kommt, damit wir an das Buffet dürfen.

In guter Erinnerung bleibt mir der Sieger des New York Marathons von 1992, Willi Mtolo, ein kleiner, freundlicher und bescheidener Mann, der mit seiner Ehefrau auch auf der Pasta-Party ist. Er erzählt, dass er als kleiner Junge jeden Tag viele Kilometer zur Schule laufen musste und nachmittags zurück. Das sei das einzige Geheimnis seines späteren Erfolges. Dachte ich mir doch, dass der Grundstein für solche Erfolge in der Kindheit gelegt wird.

Aber auch der sympathische Willi Mtolo wird am Veranstaltungstag nicht verhindern können, dass wieder Russische Profiläufer die hohen Siegprämien einheimsen. Mtolo wird Zehnter. Mir ist nach meiner langen Hobbyläuferkarriere mittlerweile völlig egal, wer vorne die Siegprämie kassiert. Es hat keine Bedeutung mehr. Ich bin für Spaß im Mittelfeld, und den werde ich haben.

Noch ein Tag Entspannung, dann wird es Ernst.

Der Comradesstart

Am 15. Juni um 4 Uhr morgens geht unsere Reisegruppe zu Fuß zum Start, der sich neben der Stadthalle von Durban befindet. Tausende ziehen mit uns. Jörg Walter, Frank Richter und ich ordnen uns in einen der hinteren Startblöcke ein, während Damian Zmudzinski vom Tegernsee und Christoph Randt aus Mannheim weiter vorne ihr Glück probieren. Wolfgang Menzel aus meinem Laufclub verliere ich direkt bei der Startaufstellung aus den Augen.

Im Halbdunkeln werden erst einige Nationalhymnen abgespielt, dann die heimliche südafrikanische Nationalhymne „Shosholoza“ („,Vorwärts“ in der Zulusprache), das Lied der schwarzen Bergarbeiter von Südafrika. Alle Afrikaner singen mit. Ein Schauer jagt mir hierbei den Rücken herunter. Alles ist sehr beeindruckend. Langsam setzt sich der Tross von über 10.000 Läufern in Bewegung. Noch vor Sonnenaufgang wird die Millionenstadt Durban durchquert und der erste Berg wartet auf uns. Es ist kühl, die Stimmung blendend, mal sehen, was auf uns zukommt. Nachdem wir auch Frank am Start „verloren“ haben, probieren es Jörg und ich gemeinsam. Ungefähr alle 2,5 km kommen Verpflegungsstände und das auf der gesamten Strecke von 87 Kilometern. Eine perfekte Logistik des Veranstalters.

Wasser wird in kleinen länglichen Plastiksäckchen angeboten. Kurz mit den Zähnen ein Loch hinein gebissen und schon kann man das Trinkwasser genießen. Ja, man kann es sich förmlich in den Mund schießen. Die Säckchen eignen sich aber auch dazu, die Zuschauer am Rand nass zu spritzen. Die Zuschauer besorgen sich ebenfalls Trinksäckchen und schießen zurück. Ein harmloser Spaß in der beginnenden Hitze.

Wir fühlen uns gut und zwingen uns geradezu, die ersten Berge langsam hoch zu laufen und an steileren Passagen auch mal zu gehen.

Schade, dass wir so früh am Start unsere T-Shirts weg geschmissen haben, die wir über den Wettkampfhemden trugen, denn unterwegs stehen etliche Afrikaner und sammeln die Kleidung auf, derer sich die Läufer entledigt haben. Alles findet hier noch Verwendung.

Schokolade für Alle

Ich erinnere mich an einen Tipp von Wolfgang Menzel. Er riet mir, bei den Verpflegungspunkten, besonders da, wo es Schokolade oder andere Süßigkeiten gibt, ordentlich zuzugreifen, um sie den schwarzafrikanischen Kindern, die hinter den Verpflegungsständen stehen, zuzuwerfen. Die könnten sich so etwas nie leisten und wären dankbar dafür. Jörg und ich machen ordentlich Gebrauch von dieser Methode und ernten sowohl Beifall wie auch den Dank zahlreicher Kinder. Wir klatschen hunderte von Kinderhänden ab.

In anderen Momenten sprechen wir mit afrikanischen Teilnehmern. Uns Ausländer erkennt man an speziellen Startnummern (blau), so dass wir immer wieder gefragt werden, woher wir kommen. Unaufhörlich bestätigt man uns, dass man in Südafrika willkommen sei und hoffe, dass es uns gefalle. Und ob es uns gefällt! Die offene Landschaft, die wir durchschreiten, ist anmutig und in verschiedenen Braun- und Grüntönen gehalten. Die Stimmung am Rand ein umwerfender Mix aus europäischer Grillkultur und afrikanischer Musik. Keiner der insgesamt 87 Kilometer bleibt ohne Zuschauer. Es sind Menschen aller Hautfarben, allen Alters, manchmal ganze Schulklassen, kurz vor PollyShorts sogar die Bewohner eines Altersheimes, die uns anfeuern. Familienverbände und Unmengen von Gruppen singender Kinder, Trommler oder verkleidete Menschen machen eine Riesenstimmung. So laufen wir teilweise wie im Rausch und ich schenke den ersten Ermüdungserscheinungen nur wenig Beachtung. Längst ist sowohl der Marathonpunkt als auch eine Temperatur von ca. 28 Grad erreicht. Es nähert sich die 60Km-Marke. Jetzt spüre ich, dass ich mich mehr abkühlen muss, wenn ich überhaupt ankommen will. Langsamer werde ich ohnehin. Die zahlreichen Verpflegungsstände bieten auch Eis an, mit dem ich mir die Oberschenkel abreiben kann. An einem der vielen Massagestände halte ich an und lasse mich zum ersten Mal in meinem Leben während eines Wettkampfes massieren. Ich habe schmerzhafte Probleme mit den Oberschenkeln - und ich weiß auch warum: es fehlen mir die ganz langen Läufe in der Vorbereitung. Der Masseur gibt sich wirklich alle Mühe meine Muskulatur zu kneten. Dann ziehe ich weiter. Aber so richtig geholfen hat es nicht. Der „Kneter“ kann ja auch nicht das reinkneten, was mir aus der Vorbereitungszeit fehlt. Also lasse ich weitere Massagestände aus und probiere es mit den angepriesenen Pellkartoffeln. Die sind höllisch salzig und zwingen einen dazu, noch mehr zu trinken. Überhaupt habe ich das Gefühl, noch nie so viel in meinem Leben getrunken zu haben. Wahrscheinlich stimmt das sogar. Die Pellkartoffeln kommen gut, wie man bei uns so sagt. Eine Zeit lang helfen sie.

70 Kilometer.

Meinen Tiefpunkt erleide ich bei km 70. Ich fühle mich leer, jeder Schritt schmerzt und ich weiß nicht, wie ich so ins Ziel kommen soll. Ich hätte in der Vorbereitungszeit doch mehr lange Läufe machen sollen. Der Königsforstmarathon und die zahlreichen 3-Stundenläufe sind einfach nicht genug. Hätte ich wissen müssen.

Jörg und ich laufen jetzt nur noch phasenweise zusammen. Besonders an Bergabpassagen laufe ich schneller als er, weil mir ein langsameres Tempo weh tut. Auf den Flachstücken holt er mich wieder ein. Was für ein verrückter Lauf. Mittlerweile gehen wir jeden Anstieg hoch. An Laufen ist bergan nicht mehr zu denken. Die Sonne brennt gnadenlos. Aber die Zuschauer geben nicht auf. Sie spüren geradezu, wen sie besonders anfeuern müssen, um seine Motivation aufrecht zu erhalten. Oft bin ich es, den sie motivieren müssen. So geht das Meter für Meter, immer ein winziges Stückchen näher an Pietermaritzburg heran. Die Uhr läuft gnadenlos und erste Berechnungen lassen mich daran zweifeln, es in 12 Stunden zu schaffen. Im Nachhinein rekonstruiere ich, dass ich mich ständig um eine Stunde verrechnet habe. Irgendwann drängte sich mir gegen Ende unerklärlicherweise die Vorstellung auf, das Limit betrüge 11 Stunden. Dieser Fehler kann nur mit meiner vorübergehenden völligen Erschöpfung zu tun haben. Jörg sagte mir später: „Was du immer gehabt hast mit der Zeit. Mehrfach hast du gesagt, wir schaffen das nicht mehr und jedes Mal stellte ich beim Blick auf die Uhr ich fest, dass wir genug Zeit haben. Was war denn nur los?“

Shosholoza

Irgendwann nach „Polly Shorts“, dem letzten der 5 großen Berge (ich fand die vielen kleinen Berge übrigens schlimmer) laufe ich auf eine Gruppe auf, die erkennbar unter 11 Stunden laufen will. Plötzlich bin ich hellwach und bemerke meinen ständigen Rechenfehler. He, das könnte ja doch noch klappen. Hier bleibe ich, sage ich mir und reihe mich ein. Steve, der blonde, schwergewichtige Gruppenleiter mit der Fahne, fragt mich, woher ich komme. Dann heißt er mich willkommen und einige andere aus der Gruppe tun es ihm nach. Hier bleibt man doch gern. Ich schaue mich um. Außer Steve, einem Pärchen und mir laufen noch 40-50 Schwarzafrikaner in der Gruppe. Immer wenn es am Berg besonders weh tut, wird „Shosholoza“ gesungen. Mittlerweile kenne ich einige Worte dieses Liedes in Zulusprache und singe enthusiastisch mit. Das hilft ungemein. Sofort stimmen die Zuschauer am Wegesrand mit ein, so dass mir dieser Lauf manchmal wie ein Chorwettstreit vorkommt. Na und wenn schon! „Komm doch nächstes Jahr wieder“, sagt plötzlich jemand zu mir, der gehört hat, dass ich aus Deutschland bin, “so etwas gibt es nur beim Comrades“. „Das stimmt“, sage ich, und nehme mir vor, nicht das letzte Mal in Südafrika gewesen zu sein. Und dann wird wieder„Shosholoza Kule Zontaba Stimela siphume South Africa“ gesungen, und ich singe wieder mit. Alle Müdigkeit und Erschöpfung sind verflogen. Die Schmerzen in den Oberschenkeln sind plötzlich, wie soll ich sagen, geradezu unwichtig. Mit diesen Jungs hier zu laufen ist einfach grandios. Eben war ich noch fast am Boden zerstört, nun schwebe ich auf einer Welle der Euphorie. Ich könnte meine Mitstreiter umarmen … und als wenn sie Gedanken lesen können, fassen wir uns im Stadion alle an den Händen und laufen „Shosholoza“ singend über die Ziellinie. Geschafft.10Std.56Min.

Ich wanke in den Bereich für „international starter“, obwohl ich noch gerne bei meinen neuen Freunden geblieben wäre. Jörg ist schon da und liest in meinem Gesicht. Dann sagt er:“ Ich war nur 4 Minuten früher hier als du, keine Bange.“ Mensch Jörg, habe ich wirklich so schockiert drein geschaut?

Meine Frau, die seit Jahren in irgendwelchen Zielbereichen internationaler Läufe auch mich warten muss, bringt mir dieses wunderbare Windhoek Lager Bier. Danke. Das kühle Bier läuft runter wie Öl. Langsam hebe ich den Kopf und schaue auf die Leinwand. Auf der beginnenden Zielrunde taumelt ein älterer weißhaariger Teilnehmer…

Sometimes and sometimes not.

Einige Tage später, als wir durch das Königreich Swaziland fahren, frage ich an einem Landstraßenkiosk, ob auch Kaffee angeboten wird. “Sometimes, and sometimes not“ antwortet mir die Verkäuferin. Verdutzt und ohne Kaffee steige ich wieder in unseren Bus. Ich muss darüber nachdenken. Dann wird es mir klar. Danke für diese große philosophische Weisheit. Es ist meine zusammengefasste Erfahrung des Comrades. Sie, die fast emotionslose Kioskverkäuferin, hat mich nur noch einmal daran erinnert, damit ich diese Erfahrung auch mit nach Hause nehme: Manchmal läuft es, dann nicht, dann läuft es wieder. Wie sie schon sagte: “Sometimes and sometimes not“.

So ist er halt, der Comrades.

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Fotos:

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