Vätternrundan 2009 - ein Wechselbad der Gefühle

(Schweden, 13. Juni 2009)

Fotos in der Bildergalerie | Homepage des Veranstalters der Vätternrundan

Ein Bericht von Bernd Nitsche

Die Vätternrundan ist wohl der Klassiker schlechthin unter den populären Radveranstaltungen in Skandinavien. Sie zählt zu den großen Herausforderungen im Ausdauersport in den nordischen Ländern. Zumindest hat uns dies ein schwedischer Fan des Ausdauersports berichtet, er absolvierte die VR schon zum fünften Mal. Der Wasalauf (Skilanglauf) über 90km gehört natürlich auch zu diesen Veranstaltungen.

Hier kurz die wichtigsten Daten der Vätternrundan:

GruppenbildDie Idee zur dieser Geschichte lieferten uns Dieter Schuy und Ernst Gust, die an der Vätternrundan 2008 teilnahmen und uns neugierig gemacht hatten. Neben Anne und mir wollte auch Dierk Vollmer diese Herausforderung mit uns in Angriff nehmen. Die Vorbereitung auf das Event lief bei uns Dreien recht gut, wobei uns das sehr kalte und regnerische Frühjahr einige Trainingskilometer kostete. Immerhin sind wir aber noch mit knapp 2000km in den Beinen angereist. Dierk hatte sich mit seiner Rosalie auf einem Campingplatz ca. 15km entfernt vom Startort Motala eine Hütte gemietet. Uns hatte es auf einen der vielen improvisierten Campingplätze von Motala verschlagen. Von unserem wohltemperierten Wohnmobil aus bestaunten wir die vielen der Kälte trotzenden Camper, die sich in kleinen Zelten vor der Kälte und dem teilweisen Regen zu schützen versuchten.

Anne, Bernd und Dierk

Unsere Startzeit war gegen 1:54 Uhr am Samstagmorgen. Dierk war schon 8 Minuten früher dran. An viel Schlaf ist vor dem großen Rennen kaum noch denken. Vielmehr werden die Räder immer wieder beäugt und die Ausstattung geprüft, um der Nervosität Herr zu werden. Und alle hoffen zumindest auf einen trockenen Start. Endlich, gegen 1:25 Uhr steigen wir bei leichtem Nieselregen und ca. 8°C auf unsere Zweiräder, schalten die angebauten Lichter an und fahren in gespannter Erwartung die 3,5km bis zum Start in Motala. Wir und die anderen Starter sind schon glücklich, dass es nicht stärker regnet. Am Hafen haben sich schon hunderte "Pedaleure" eingefunden, um sich für ihren Start in der jeweiligen Startbox zu positionieren. Alles ist unglaublich perfekt organisiert und läuft sehr harmonisch ab. Es entsteht keine Hektik. Alle 2 Minuten startet eine Gruppe mit ca. 60 Fahrern. Dierk ist also schon 4 Gruppen vor uns gestartet.

Wir lassen es trotzdem auUnterwegs im Regenf der ersten Etappe bis zur 1. Verpflegung bei km 43 ruhig angehen. Es ist auch verdammt ungewohnt im Dunkeln in der Gruppe zu radeln. Wie verabredet treffen wir Dierk bei km 43 zu einer ersten Rast mit Kaffee und Brötchen. Es ist frisch, aber relativ trocken. Von daher sind wir guten Mutes. Das sollte sich aber rasch ändern. Es wird immer dusterer um den Vätternsee, obwohl es nun eigentlich schon hell sein sollte. Der Regen wird stärker, die Klamotten (lange Hosen, Überschuhe, Handschuhe, mehrere Lagen an Pullis + Regenjacke) halten uns noch ein paar Kilometer so einigermaßen warm. Dierk kann plötzlich nur noch 2 Gänge benutzen, der Schaltzug für die Ritzel ist gerissen. Zum Glück sind die Steigungen nicht so heftig. An der 2. Verpflegung (km 80) muss Dierk an die Box. Der technische Service kann den Schaden zwar reparieren, das dauert aber. Anne und mir ist es mittlerweile schon so kalt geworden, dass wir beschließen uns bei Verpflegung 3 (km 109) wieder zu treffen.

Unterwegs

Unterwegs bei km 85 frage ich Anne ob sie aufgeben möchte. Ich schlage vor, dass wir nun umkehren, denn mittlerweile sind wir durchweg nass und es ist bitterkalt. Selbst die Regenjacken sind jetzt komplett nass und schützen nun auch nicht mehr vor dem kalten Wind. Anne schlägt aber tapfer vor es bis zur nächsten Verpflegung bei km 109 zu versuchen. Übrigens besteht auch immer die Möglichkeiten aufzugeben und von dem Service Gebrauch zu machen, sich an den Zielort zurück bringen zu lassen. Gerade haben wir unsere Räder an Verpflegung 3 abgestellt als Dierk auch schon angebrettert kommt. Er hat eine gute Gruppe erwischt und mächtig Tempo gemacht. Gemeinsam genießen wir die warme Turnhalle der Hauptverpflegungsstelle; hier gibt es neben Kartoffelpüree mit Würstchen auch immer die überaus beliebte Blaubeersuppe. Nun sind Anne und ich doch schon wieder ein wenig optimistischer, dass es weiter gehen kann - der Himmel wurde zum Teil etwas heller. Dierk ist dagegen wohl kein Warmduscher wie wir und hatte zu keiner Zeit an´s aussteigen gedacht. Allerdings waren wir nicht die einzigen, die ihre Problemchen mit der Kälte hatten. Neben uns saß ein Schwede, der seinen Trinkbecher vor lauter zittern kaum noch halten konnte. Es wurden einige gesichtet die das Rennen hier vorzeitig beendet haben (Insgesamt haben 1.008 Sportler das Rennen vorzeitig aufgegeben. Ca. 3.500 von allen Gemeldeten gingen bei dem Wetter erst gar nicht an den Start. Letztendlich sind ca. 14.500 in´s Ziel gekommen).

Für uns aber sollte es nun mit neuem Elan weiter gehen. Leider ohne mich, denn ich hatte einen Plattfuß. Da es keinen Sinn macht, dass wir alle drei in der Kälte warten, gingen Anne und Dierk alleine auf den nächsten Abschnitt. Und ich trottete zum Service. Klar kann man auch selbst den Schlauch wechseln, aber die geschulten Jungs würden das hier wohl perfekt machen. Bloß kein Risiko auf eine weitere Panne eingehen. Leider dauerte der Spaß doch recht lange und eine gute Gruppe fand ich auch erst recht spät, so dass ich die verlorene Zeit nicht komplett aufholen konnte, zumal die Beiden ihre Beine wohl nicht hoch genommen haben, sondern weiter ein zügiges Tempo vorlegten. Daher hatten Anne und Dierk bei Verpflegung 4 (km 140) schon länger auf mich gewartet. Dann der kurze Entschluss, dass die beiden sofort weiter fahren und ich nach der Verpflegung mit Blaubeersuppe und Brötchen nachkomme.

Eine gute Gruppe (ca. Tempo 35Kleine Rastkm/h) sorgte dann aber relativ schnell für unseren persönlichen Zusammenschluss. Gemeinsam konnten wir uns auf die zweite große Stärkung bei der Verpflegung 5 (km 178) freuen. Hier gab es Lasagne mit Salat und dazu die Getränke (Wasser, Blaubeersuppe usw.). Unglaublich wie die Organisation es hier hinbekommt das Essen für ca. 15.000 Radler parat zu haben. Nirgends mussten wir je warten oder haben etwas vermisst, genial. Und dazu kam nun endgültig unser Optimismus zurück. Der Regen hatte sich gelegt, die Jacken waren durch den Fahrtwind getrocknet und boten dadurch sogar wieder so etwas wie Windschutz. Dieser war bei geschätzten 12°C auch noch von Nöten. Jetzt konnte so langsam der Spaß beginnen. Aber waren wir wirklich fit genug um den Rest (immerhin noch ca. 120km) genießen zu können? Zumindest Anne und ich dachten schon, dass es jetzt noch richtig schwer werden könnte. Dierk war sich hier schon etwas sicherer, aber er hat so eine Strecke auch schon einmal bewältig. Jedenfalls fuhren wir weiter ein moderates, aber auch nicht zu langsames Tempo. Länger als 12 Stunden wollten wir eigentlich nicht auf dem Rad sitzen.

An den Verpflegungsstellen 6 (210km) und 7 (232) waren wir jedenfalls immer noch erstaunlich fit. Auf der Piste zeigten nun einige Teilnehmer vermehrt Probleme an den kleinen, aber zahlreichen Steigungen. Immerhin hat die relativ flache Tour doch noch ihre 1.650 Höhenmeter. Doch Anne, Dierk und ich konnten hier weiter ein solides Tempo anschlagen. Bei Verpflegung 8 (km 259) und allerspätestens bei Verpflegung 9 (279km) waren wir uns nun endgültig sicher, dass wir alle drei in´s Ziel kommen würden. Mit dieser Euphorie im Rücken und dem zusätzlichen Rückenwind auf den letzten 40km ging es in erhöhtem Tempo Richtung Ziel in Motala. Und das Genialste daran war, dass wir alle Drei dieses schöne Gefühl uneingeschränkt genießen konnten. Wir hatten unser Tempo (im Schnitt 26-27,5 km/h - durch die Aufholjagden nach den Pannen waren Dierk und ich im Schnitt etwas schneller als Anne) wohl sehr gut gestaltet, so dass wir erstaunlich fit nach Motala einfuhren und uns von dem Publikum feiern lassen konnten.

Gemeinsam ins ZielEin tolles Gefühl - das gemeinsam geschafft zu haben. Da kamen das vom Veranstalter bereitgestellte Bier und die Pasta gerade recht, um das Ganze ein wenig zu feiern. Erst ein Stündchen später meldeten sich unsere Körper wieder zu Wort um klarzustellen, dass das Ganze auch ein wenig mit Anstrengung zu tun hatte. Plötzlich spürte ein Jeder eine heftige Müdigkeit. Eine Nacht ohne Schlaf und dann kurz 300km radeln gehen dann doch nicht gerade spurlos an einem vorbei. Und das ist ja auch gut so. Im Nachhinein waren wir sehr froh, das Ganze geschafft zu haben und damit die schöne Erfahrung der Veranstaltung ungetrübt mitnehmen zu können. Besonders wird uns die Freude, nicht nur der Radler, sondern auch der super hilfreichen und freundlichen Hilfskräfte in Erinnerung bleiben. Die Vätternrundan hat hier für viele Schweden und auch für ein paar Ausländer eine besondere Bedeutung. Es ist der Flair der Breitensportveranstaltung für Jedermann, die uns hier besonders begeistert hat. Am nächsten Tag sahen wir z.B. noch ein schwedisches Paar, beide wohl jenseits der 70, die mit normalen Straßenrädern die Vätternrundan bewältig hatten, wie sie vergnügt und zufrieden ihr Zelt abbauten, um sich auf den Nachhauseweg zu machen. Vielleicht mit der Idee es nächstes Jahr noch einmal erleben zu wollen.

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Aufbereitung Bericht für LLG-HP: Antje + Olaf Kucher