34. Rennsteiglauf-Logo 20.05.2006

Links:   Bericht Olaf   Bericht Antje   Karte

Fotos: (Klick auf Foto zum Vergrößern)

Antje und Olaf vor dem Start Starterfeld Marathon Gleich geht´s los Endlich geht es los
Olaf kurz nach dem Start Antje und Olaf in Masserberg Im Ziel mit Rena, Hanne und Balli Rennsteiglauf-Medaillen

Berichte:

Olaf: Warum ist der Rennsteiglauf herausfordernd und schön zugleich?

Es hat schon etwas Besonderes, auf dem Rennsteig zu laufen! Das wird jeder bestätigen, der den Rennsteiglauf mindestens einmal hinter sich hat. Dabei ist es ganz gleich, ob man den Halbmarathon von Oberhof, den Marathon von Neuhaus am Rennweg oder sogar den Supermarathon von Eisenach bis zum Zielort nach Schmiedefeld bewältigt hat. Der Lauf-Genuss steigt natürlich mit der Länge der Strecke ;-).

Der Rennsteig ist ein Höhenweg in ca. 500-950 Meter Höhe über den Kamm des Thüringer Waldes. Er beginnt in Hörschel an der Werra bei Eisenach und endet nach ca. 170 km in Blankenstein an der Saale. Der Verlauf des Rennsteigs ist auf allen Wanderkarten von Thüringen eingezeichnet und auf den Wanderrouten mit einem "R" gekennzeichnet.

Wir hatten uns vor einigen Monaten den Rennsteig-Marathon vorgenommen, der auch noch etwas länger als ein "normaler" Marathon ist, nämlich 43,1 km. Kurz vor der diesjährigen Austragung kamen wegen einer Straßenbaustelle in Neustadt noch ein paar Meter hinzu, also waren es diesmal 43,5 km. In den "Höhenlagen" rund um Hennef hatten wir uns mit längeren Läufen gut auf den "Tag X" vorbereitet und nebenbei auch noch so manche schöne Ecke rund um Uckerath kennengelernt.

Endlich ist es soweit, wir fahren nach Thüringen. Erste Station ist Neuhaus, der Startort, den wir bei kaltem und verregneten Wetter erleben. Wir denken nur, oh, oh, das kann ja lustig werden und checken in Gedanken noch einmal unsere Laufbekleidung durch. Zum Glück gibt es ja die GuthsMuths-Halle, wo man sich vor dem Start noch etwas aufwärmen kann. Mit der Startnummer im Gepäck geht es weiter nach Pößneck, wo wir bei Antjes Eltern zwei Übernachtungen "preisgünstig" gebucht haben. Schon auf dem Weg ins Saaletal lacht wieder die Sonne und bietet uns phantastische Ausblicke über die Höhen des Thüringer Waldes. Der Optimismus kehrt zurück.

Am nächsten Morgen 5:45 Uhr aufstehen, gemütlich frühstücken und dann - schon in Laufklamotten - rein ins Auto. Antjes Eltern fahren uns zum Start. Etwa eine Stunde Fahrt bis Neuhaus, die Sonne scheint! Doch je näher wir Neuhaus kommen, desto mehr Wolken verdunkelten den Horizont. Wir hoffen auf den Wahrheitsgehalt des Wetterberichts, der zumindest bis Mittag trockenes Wetter vorhergesagt hat. Na gut, bis dahin wollten wir ja auch schon fast in Schmiedefeld sein. Schon auf dem Weg zum Parkplatz wird die Autoschlange dichter, ein französisches Auto vor uns, davor ein Bus aus Zittau. Auf dem Parkplatz vertraute Berliner Mundart. Aber schnell die Jacke an, es sind nur acht Grad über Null und recht windig. Im Tross der Läufer, die zum Start pilgern, fühlt man sich aber schon wieder etwas wohler (denen geht es ja auch nicht anders als uns). Wir schauen uns erst einmal nach Toiletten um, vor denen aber hoffnungslos lange Schlangen stehen. Naja, es gibt ja zum Gück den nahen Wald. Wir laufen uns locker ein und langsam verläßt uns die Anspannung und ein gutes Gefühl stellt sich ein. Allerdings hoffen wir, dass auf der Strecke nicht ganz so viel Pfützen und matschige Stellen sind wie hier.

Im Startblock wird erst einmal gemeinsam und mit Unterstützung von "Hans" sowie einer Kapelle das Rennsteiglied gesungen, anschließend schunkeln wir uns nach dem Schnee- Schnee- Schnee- Schnee-Walzer warm. Endlich - der Startschuss fällt, über dem Läuferfeld kreist ein Hubschrauber, bestimmt ist es ein imposanter Anblick, wie sich das Läuferfeld der über 3000 Marathonis in Bewegung setzt.

Streckenkarte (pdf)

Streckenprofil:

Streckenprofil

nach oben

Wir haben uns eine Zeit unter 3:45 h vorgenommen, also einen km-Schnitt von unter 5:10 min. Aus meiner Erfahrung von 1997 weiß ich, dass die zweite Hälfte einige längere Anstiege bereithält, und dass unterwegs auch ein paar schwierige Wegstücke auf uns zukommen werden. Deshalb schlagen wir auf den ersten 5 km ein lockeres Tempo an. Direkt nach dem Start laufen wir erst einmal etwa 500 m im dichten Läuferfeld eine Straße bergan. Wir versuchen auf dem Fußweg an der rechten Seite etwas zu überholen. Vor uns kann ein Läufer gerade noch so über den ca. 1 m hohen Hydranten springen, der auf dem Fußweg steht. Glück gehabt!

Über der Straße aus Neuhaus heraus liegt ein gelblicher Nebel, der von den vom Wind verwehten Pollen herrührt. Irgendwie hat man das Gefühl, Sand in den Augen zu haben. Ein junger Läufer fragt uns, was wir laufen wollen, als wir es sagen, meint er, vielleicht sollte er besser in ein anderes Taxi einsteigen..., aber dann schließt er sich uns doch an. Als wir von der Straße auf den Wanderweg laufen, müssen wir immer wieder Pfützen auf dem Weg ausweichen. Außerdem überholen wir immer wieder andere Läufer, weil wir im Starterfeld doch etwas weiter hinten gestanden hatten. Es ist das reinste Hindernisrennen. Aber immer die Ruhe, mahne ich, die anstrengenden Stücke kommen erst noch. Es geht weiter überwiegend bergab, denn Neuhaus liegt ja auf ca. 830 m über NN. Der erste kurze aber steile Anstieg kommt nach der Überquerung einer Straße im Ort Scheibe-Alsbach. Für uns sind solche Anstiege aber kein Problem, die kennen wir von unseren Trainingsstrecken.

Der erste Verpflegungspunkt kommt am Dreistromstein bei km 10,6 (818 m NN). Auf den Schildern steht auch immer die Entfernung zur nächsten "Tränke". Das ist ganz praktisch. Wir trinken etwas Tee und laufen weiter. Es geht jetzt hauptsächlich durch Hochwald auf relativ guten Wegen und wieder leicht bergab. Plötzlich passieren wir km 25... 25???, das kann nicht sein! Vielleicht haben sie die Schilder vertauscht, das muss km 15 sein (Eisfelder Ausspanne 753m NN)!

Vor Masserberg geht es dann wieder bergauf bis auf 841 m NN zur Turmbaude Masserberg. Dort ist ein umfangreicher Verpflegungsstand aufgebaut. Es sind mehrere Buden mit verschiedenen Getränken, Wasser, Tee, Haferschleim, Iso-Getränke, Bananen, usw. Nach der Turmbaude laufen wir hinunter nach Masserberg und freuen uns schon auf Antjes Eltern, die uns unten am Parkplatz erwarten und Fotos machen wollen. Es klappt gut, wir sehen sie sofort. Auch sie haben uns schon erspäht. Jetzt geht es wieder den Berg hinauf. Antje läuft etwas langsamer den Berg hoch als ich, deshalb warte ich oben auf sie. Antje möchte lieber allein weiterlaufen, weil sie das Gefühl hat, mich auszubremsen. Na gut, obwohl ich mich eigentlich darauf gefreut hatte, mit ihr gemeinsam ins Ziel zu laufen. Ich laufe also allein weiter. Die Wege sind schmal und führen wieder durch Wald. Man muss höllisch auf Wurzeln und Steine achten. Überholen ist auch nicht an allen Stellen gefahrlos möglich. Als wir durch einen Hohlweg laufen, schwenke ich kurz aus. Als ich auf die Strecke zurücklaufen will, muss ich einen kleinen Abhang hinunter und rutsche auf einer feuchten Wurzel aus. Aua - das tat weh, aber ich habe mich gut mit dem rechten Arm abgefangen. Ich springe wieder auf und klopfe mir beim Laufen den Dreck vom Arm. Jetzt geht es auf abenteuerlichen Wegen weiter, eine kurze Treppe hinunter, über eine kleine Brücke aus Birkenholz durch eine Art Bachbett. Der nächste Verpflegungsstand ist auf der Schwalbenhauptwiese bei 22,7 km (703 m NN). Kurz vorher passieren wir eine Straße. Plötzlich ruft es "Olaf". Da läuft Bernd, ein guter Freund aus Lobenstein, daneben Hanne, seine Tochter. Als ich mich nach rechts umdrehe, ist auch noch Rena da und macht Fotos. Das motiviert, so dass ich gleich etwas kraftvoller laufe.

Zwischen Gießübel und Kahlert laufen wir auf der Landstraße 2052. Da die Waldwege doch ganz schön Konzentration und Kraft gefordert haben, ist es jetzt richtig angenehm, obwohl die Straße bergan führt. Der Kilometer "25" (745 m NN) ist tatsächlich mit dem Schild "km 15" markiert. Nach Neustadt am Rennsteig (805 m NN) führt eine Straße in weitem Bogen bergan. Ich habe genug Kraft, um zügig hoch zu laufen und überhole ständig andere Läufer. In Neustadt läuft man an Häusern vorbei, vor denen Bewohner stehen und die Läufer anfeuern. Auch Wandergruppen kommen uns entgegen. Hier ist auch wieder ein Verpflegungsstand. Ich greife mir ein Apfel- und ein Bananenstück, nachdem ich Tee getrunken habe. Es geht weiter, diesmal bergab, wieder auf Wanderwegen. Der Wind hat zugenommen und auch den Regen mitgebracht. Ich passiere das Schild "km 30" (755 m NN) und wundere mich, dass ich schon hier bin. Kein Vergleich zu einem Stadtmarathon, wo man jeden Kilometer zählt.

Endlich kommt der Berg auf den ich schon gewartet habe. Links geht es zur Talsperre Schönbrunn, wir müssen aber einen langen und recht ansehnlichen Anstieg hinauf. An diesen Berg kann ich mich noch erinnern, weil ich dort vor 9 Jahren ersteinmal stehen bleiben und meine Wade dehnen musste. Diesmal geht es besser, ich bevorzuge es aber den Berg schnell hoch zu gehen. Dadurch spare ich Kraft und kann oben sofort wieder zügig weiterlaufen. Es geht wieder über schöne Waldwege und noch einmal bergan. Als wir oben sind, erwartet uns die Verpflegungsstelle Großer Dreiherrenstein (33,9 km 810 m NN). Als ich danach eine Straße passiere höre ich wieder den Ruf "Olaf". Bernd, Hanne und Rena sind gerade mit dem Auto angekommen und winken mir zu. Ein Stück weiter stehen Rena und Hanne an der Strecke und feuern mich an. Ein paar Läufer, die ich gerade überhole, fragen: "Wer ist Olaf?" Als ich die Hand hebe, sagen sie, jetzt hat er einen Adrenalinschub. Ich fühle mich zwar immer noch locker und kraftvoll, die lieben Anfeuerungsrufe haben mir aber zusätzlich ein tolles Gefühl gegeben. Ich fliege jetzt nur so die leichten Anstiege hoch. Der Weg führt durch Hochwald auf schönen Wanderwegen entlang. Die Anstiege sind jetzt nur noch kurz und flach. Deshalb kann ich sie fast ohne Tempoverlust hochlaufen.

Bei Frauenwald (km 37,8, 762 m NN) kommt die letze Verpflegungstelle, jetzt ist es nicht mehr weit! Ich nehme noch einen Schluck Wasser aus dem erst besten Becher, den ich zu fassen bekomme und weiter geht´s. Jetzt laufe ich mit einigen Läufern zusammen, die etwa das gleiche Tempo wie ich haben. Ich versuche dran zu bleiben. Es geht noch einmal ein Stück hoch. Schon höre ich die Lautsprecherstimme des Sprechers in Schmiedefeld. Jetzt nur noch nach Schmiedefeld hinunterlaufen und dann den "last hill" zum Sportplatz hoch, dann ist es geschafft. Ich fühle mich noch kräftig und versuche weiter, mein Tempo zu erhöhen. In Schmiedefeld überquert man die Hauptstraße und läuft dann die von Zuschauern gesäumte Straße zum Sportplatz hoch. Dieser letze Anstieg hat es noch einmal ganz schön in sich, weil er sich so zieht. Aber auch der ist bald geschafft und ich biege auf den Sportplatz ein. Bis jetzt habe ich meine Schwiegereltern noch nicht gesehen, aber bei den dicht stehenden Zuschauern ist das schwierig. Auf dem Weg zum Ziel muss man schon durch Pfützen laufen. Dann ist es geschafft. Ich schaue auf die Uhr, schade, doch nicht mehr unter 3:40 h. Aber was solls, ich bin zufrieden. Nur um Antje mache ich mir Gedanken. Ich hoffe, sie hat keine Probleme mit der Atmung bei dem Regen. Ich selbst merke eigentlich jetzt erst, wie stark es regnet. Leider bekommen wir im Ziel keine Kunststoffplane. Mir wird jetzt etwas kalt. Als ich feststelle, dass es keinen Sinn hat, hier weiter zu warten, suche ich die Ablagestelle der Kleiderbeutel. Sie sind zwar nach den ersten zwei Stellen der Startnummer grob vorsortiert aber ich suche trotzdem lange, bis ich meinen Sack finde. Vielleicht sollte man das nächste Mal etwas auffälliges daran befestigen. Als ich Antjes Eltern sehe, bin ich froh, denn sie haben auch meine regenfeste Jacke dabei. Sie gehen noch einmal in Richtung Ziel, um Antje zu suchen. Endlich ist sie da. Ich bin sehr froh, dass sie es geschafft hat. Wir suchen gemeinsam nach ihrem Kleiderbeutel. Nun aber schnell zu den Duschen. Bei den Männern ist es schon sehr voll, da auch einige Ultramarathonläufer schon da sind. Das Umziehen im Zelt ist wegen der Enge etwas schwierig. Aber die warme(!) Dusche entschädigt dann für alles. Als ich mich gerade abtrockene versiegt das Wasser plötzlich. Oje, hoffentlich ist das nur eine kurze Unterbrechung, denn schließlich wollen ja noch viele Läufer duschen.

Draußen treffen wir uns wieder und holen unsere Zielverpflegung ab - ein Köstritzer Bier und eine heiße Suppe, die richtig köstlich schmeckt! Wir treffen Rena, Bernd und Hanne wieder und unterhalten uns noch ein bischen, bevor wir alle nach Hause aufbrechen. Bei diesem Regenwetter macht es leider keinen Spaß, noch länger hier zu bleiben. Als wir losgehen, kommen immer noch Läufer ins Ziel. Der Regen ist scheinbar stärker geworden. Die Armen, die jetzt noch auf der Strecke sind. Wir laufen bis zum Parkplatz am Ortsrand und müssen schon wieder einen steilen Berg hoch. Gut, dass wir diese "Körner" jetzt noch haben. Etwa 1 h Fahrt liegt jetzt noch vor uns. Einige Straßen sind wegen des Marathon noch gesperrt, deshalb müssen wir Ausweichstrecken benutzen. Aber so sehen wir das wunderschöne Schwarzatal wieder, wo wir während der Studienzeit mit Schlauchboot und Taucheranzug durch die Stromschnellen gepaddelt sind. Jetzt kommt auch wieder die Sonne heraus.

Als wir endlich wieder in Pößneck sind, genießen wir so richtig die Ruhe im gemütlichen Sessel und sind froh, den Rennsteig bezwungen zu haben. Eines steht aber schon fest: wir werden wieder kommen! Olaf

nach oben

Antje: Erlebnis Rennsteiglauf

Prolog (Freitag, 19. Mai 2006)

Wir sitzen im Auto auf der Fahrt nach Thüringen. Auf der A4 bei Eisenach können wir einen ersten Blick auf den Thüringer Wald und einige Ausläufer des Rennsteigs werfen. Den "alten Riesen" kenne ich als gebürtige Thüringerin sehr gut von Wanderungen und Skitouren. Etwas missmutig hüllt er sich in Wolken und zeigt sich heute wirklich nicht von seiner besten Seite. Die bewaldeten Hügelketten erinnern an den Rücken eines schlummernden Drachens. Ab und zu reißt jedoch die Wolkendecke etwas auf und lässt vereinzelte Sonnenflecken auf ihm tanzen. Schön schaut er in diesen Momenten aus, mit seinem dichten Grün in allen Nuancen, den idyllischen Orte, die sich an die bewaldeten Hügel schmiegen und den weithin leuchtenden Rapsfeldern im Vordergrund, die in voller Blüte stehen. Mit meinen Gedanken bin ich jetzt schon auf der Strecke. Wird alles klappen? Wird sich das harte Training auszahlen? Wird das Wetter mitspielen? Und habe ich die richtige Kleidung eingepackt? Alle kleinen Zweifel können jedoch nicht die Vorfreude trüben. Ich freue mich wirklich sehr darauf, den "ollen Riesen" jetzt auch endlich einmal als Läufer zu erleben…

Der große Tag (Samstag, 20. Mai 2006)

Wir stehen um 5.45 Uhr auf und frühstücken ganz gemütlich. So viel Zeit muss sein ;-). Dann der Aufbruch (bereits in Laufsachen). Meine Eltern, bei denen wir auch Quartier bezogen haben, fahren uns nach Neuhaus zum Start und fiebern kräftig mit uns mit. Ein ganz großes Dankeschön an Euch beide, für die liebe und tatkräftige Unterstützung.

In Neuhaus angekommen, haben wir noch etwas Zeit bis zum Start, die wir mit den üblichen Vorbereitungen (Gepäckabgabe, Warmlaufen usw.) verbringen. Ganz nebenbei genießen wir auch schon die Atmosphäre, die bei solchen Ereignissen immer herrscht. Trotz der kühlen Temperaturen (das Thermometer zeigt gerade einmal 8° C an) halten wir uns hauptsächlich im Freien auf. Als Alternative stände die gut beheizte Turnhalle zur Verfügung, in der ausreichend Sitzgelegenheiten vorhanden sind und wo auch der erste warme Tee vor dem Start angeboten wird. Noch scheint die Sonne etwas schüchtern. Aber sie haben gegen Mittag den ersten Regen angesagt. Wir hoffen, dass wir bis dahin bereits den größten Teil der Strecke hinter uns haben und betrachten ganz skeptisch die immer dichter aufziehenden dunklen Wolken. Diese sind jedoch erst einmal vergessen, als wir zum Start gehen. In dem dichten Läuferfeld stehend, hat die Kälte zunächst einmal keine Chance. Wir werden von "Hans" und seiner Band unterhalten und gehörig aufgeheizt. Unter anderem werden wir dazu animiert, das Rennsteiglied mitzusingen (Herbert Roth lässt grüßen). Und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich als Thüringer gerade einmal noch den Refrain zusammen bringe. Der Höhepunkt ist erreicht, als wir gemeinsam mit allen anderen Läufern den Schnee-, Schnee-, Schnee-, Schneewalzer singen und schunkeln. Jetzt läuft es mir wirklich etwas kalt den Rücken herunter. Wir alle zusammen bieten dem über uns kreisenden Hubschrauber in diesem Moment wohl ganz sicher einen imposanten Anblick.

Endlich ist es dann so weit. Punkt 9.00 Uhr fällt der Startschuss und das Läuferfeld setzt sich in Bewegung. Das ist für mich bei einem Marathon immer wieder ein ganz beeindruckender Moment, in dem ich gleichzeitig an das hinter mir liegende Training und an die vor mir liegende Strecke denke. Hauptsächlich nehme ich jedoch die Atmosphäre um mich herum auf. Man spürt, dass sich alle darauf freuen, dass es endlich losgeht. Die ersten 5,81 Kilometer geht es auf der Straße hauptsächlich leicht bergauf. Die Straße aus Neuhaus heraus ist für die vielen Läufer etwas zu eng, so dass man mächtig aufpassen muss, damit es zu keinen Kollisionen kommt. Vor allem das Überholen wird einem hier nicht gerade leicht gemacht. Aber die meisten Läufer sind guter Stimmung und so wird man immer vorbeigelassen, wenn man sich freundlich anmeldet. Ich denke schon an die Waldwege und hoffe, dass diese nach dem Regen nicht allzu matschig sein werden.

Am "Sandwieschen" biegen wir dann rechts ab auf den Waldweg zum "Dreistromstein", wo nach 10,63 Kilometer die erste Verpflegungsstelle auf uns wartet. Die Waldwege sind leider wirklich sehr matschig und glatt, so dass man hier etwas Tempo weglassen muss, um diese einigermaßen kraft sparend und unverletzt zu passieren. Die reichlich glatten Steine und Wurzeln erfordern auch alle Aufmerksamkeit. Und so wird der Rennsteig an vielen Stellen dem Begriff "Crosslauf" wirklich ganz gerecht. Etwas belastend ist der reichlich herumfliegende Pollenstaub der Fichtenblüten, der die Luft richtig trübe macht. Wir schauen alle wie frisch gepudert aus. Ein solches "Waldrauschen" habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Man sagt ja, dass die Menschen in solchen Jahren besonders aggressiv sein sollen. Zum Glück ist hiervon im Läuferfeld nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil, alle sind gelöst und locker und genießen (noch) den Lauf und die Strecke.

Am "Dreistromstein" erfrischen wir uns mit den ersten Getränken. Wer will, kann sogar schon etwas futtern. Die Verpflegung ist wirklich super. Die Getränke sind gut temperiert und man hat eine große Auswahl (Wasser, Tee, Bionade, Cola usw.). Also das nenne ich wirklich Thüringer Gastlichkeit. Dermaßen gestärkt bewältigen wir die An- und Abstiege bis zum "Eselsberg" ganz spielerisch. Hier erfolgt bei Kilometer 18,8 die erste Zwischenzeitnahme. Wir liegen gut im Plan und fühlen uns auch noch frisch und locker. Da jeder 5. Kilometer ausgeschildert ist, kann man seine Geschwindigkeit ganz gut kalkulieren und überwachen. Einzig das Wetter macht uns Sorgen, denn die Wolken hängen immer tiefer und erscheinen bereits sehr dunkel, dicht und bedrohlich.

Bei Masserberg treffen wir auf meine Eltern, die uns kräftig anfeuern. Einen weiteren Schub erhalten wir, als wir hinter Masserberg von unseren Freunden Rena, Balli und Hanne aus Lobenstein angefeuert werden, die extra wegen uns zum Rennsteiglauf gekommen sind. Ich freue mich richtig darüber und laufe wie von selbst weiter. Aber diese unbeschwerte Leichtigkeit des Seins hält leider nicht ewig an. Wir liegen noch gut im Plan, aber ich spüre, dass Olaf neben mir mit angezogener Handbremse läuft. Ich möchte jedoch aus Respekt vor der zweiten Hälfte noch nicht mehr Stoff geben. Ich schlage ihm vor, dass er ohne mich voran läuft, damit er sein Tempo durchziehen kann. Er sträubt sich zunächst und es kostet mich noch einige energische Diskussionsminuten, bis er sich endlich dazu entschließt. Olaf löst die Handbremse und stürmt los. Ich schaue ihm nach und freue mich darüber, wie leichtfüßig, mühelos und flüssig er läuft. Und so nach und nach entschwindet er aus meinem Blickfeld. So, jetzt aber Konzentration, damit mich der innere Schweinehund nicht in mein "Komfortzonentempo" lockt. Vorerst kann ich jedoch nicht viel schneller laufen, da ich mittlerweile das wohl abenteuerlichste Stück der ganzen Strecke erreicht habe. Bevor der Verpflegungspunkt "Schwalbenhauptwiese" (km 22,7) erreicht ist, geht es durch einen Hohlweg, der an ein trockenes Bachbett erinnert, bergab über Wurzeln, Stöcke und Steine. Dieser Weg ist so eng, dass man nur einzeln hintereinander laufen kann. Dadurch muss man sich auch mächtig konzentrieren, da man so manches Hindernis wirklich erst im letzten Moment sieht. (Wie ich nach dem Lauf erfahre, ist Olaf hier gestürzt und hat sich zum Glück nur einige Blessuren am rechten Unterarm zugezogen.) Gegen Ende des Weges stehen wieder Zuschauer, die uns ganz lieb anfeuern. Ein kleiner Junge ruft immer wieder: "Lauft, lauft. Dort unten gibt es Wasser und Brot". Ein Läufer vor mir sagt: "Na, das klingt ja echt verlockend." - und alle müssen lachen.

Auf der Strecke nach Neustadt, öffnet der Himmel dann endgültig seine Schleusen. Neben dem Regen, bläst uns bergauf auch noch ein kräftiger Wind entgegen. Es wird uns wirklich nichts geschenkt. Dermaßen durchnässt und immer mehr ausgekühlt, beneide ich im Stillen so manchen Mitläufer um seine Regenjacke. Hinter Neustadt (km 28,8) lauern dann die eigentlichen Herausforderungen des Rennsteigs. (Es hatten mich ja alle vor der zweiten Hälfte gewarnt.) Besonders zu erwähnen ist hier der Anstieg zum "Großen Burgberg", den fast alle gehend bewältigen. Mein Kopf sagt an dieser Stelle: "Laufe" und mein Körper rät mir: "Gehe". Gerade will ich auf meinen Körper hören, als drei lustige Läufer aus Zwickau mir zurufen: "Na Mädel, das schaffste doch". Und so ziehen mich die drei regelrecht bis nach oben. Unterwegs bleibt sogar noch etwas Luft für einen kleinen Schwatz, das lenkt wunderbar ab. Oben angekommen kehrt die Kraft zurück, was auch meine drei Schutzengel bemerken. Und so schicken sie mich mit einem lustigen: "Mädel lauf, Du hast noch was drin" auf die Strecke. Ich bedanke mich artig fürs Ziehen und laufe los. Aber leider fordert nach 5 km die feuchtkalte Luft doch noch ihren Tribut. Infolge einer Lungenentzündung vor einigen Jahren erlebe ich bei Anstrengungen unter solchen Witterungsbedingungen immer eine Hyperreaktion der Bronchien. Der alt vertraute Ring um meinen Brustkorb zieht sich immer enger und nimmt mir die Luft zum Atmen. Zusätzlich meldet sich auch schon der olle Hustenreiz an. Schweren Herzens verabschiede ich mich von meiner avisierten Zeit (ich wollte unter 3:45 h ankommen) und schalte einen Gang zurück, so dass ich bequem atmend weiterlaufen kann. Das tut schon weh, aber Hauptsache ankommen. Dadurch kommt mir der Rest der Strecke, bis auf die Kälte, nicht mehr so schlimm vor. Und so habe ich auch etwas mehr Zeit, die Landschaft und das Flair des Laufes zu genießen. Es hat auch alles sein Gutes im Leben.

Über Frauenwald (km 37) geht es dann stetig bergab nach Schmiedefeld. Dieser Teil der Strecke hat mir wirklich Spaß gemacht, denn ich habe mich super mit einigen Mitläufern unterhalten. Den Anstieg zum Sportplatz in Schmiedefeld hatte ich mir auch viel schlimmer vorgestellt, als er letztendlich war. Durch die begeisterten Zurufe der Zuschauer wird man regelrecht den Berg hinauf getragen. Außerdem lockt das Ziel. Hier kam ich dann ganz schön ausgekühlt, aber glücklich nach 3:50:47 an. Leider gab es keine Schutzplanen gegen die Kälte und den Regen. Also schnell meinen Gepäckbeutel suchen und ab zu den Duschen. An der Gepäckausgabe treffe ich auch auf Olaf und meine Eltern. Olaf ist eine wunderbare 3:40:55 gelaufen und ich freue mich mächtig mit ihm. Er kann wirklich stolz und glücklich sein, dass er nach seiner Meniskusoperation im November 2005 schon wieder so fit ist und so eine Belastung problemlos wegsteckt. Ich habe immer noch arge Probleme mit der Kälte, bin zum Glück aber nicht die Einzige, wie ich beim Duschen bemerke. Es stehen einige Läuferinnen bibbernd und zitternd im Umkleidezelt. Nach dem Duschen und einem warmen Süppchen (es war echt lecker) taue ich dann so langsam wieder auf. Außerdem treffen wir auch noch einmal Rena, Balli und Hanne, mit denen wir uns wunderbar unterhalten. Danke, dass Ihr uns auf der Strecke zwei Mal so lieb angefeuert habt.

Zum Abschluss möchte ich noch einen Rat an alle zukünftigen Starter beim Rennsteiglauf loswerden: "Zieht Euch warm an!!!" ;-).

Epilog (Sonntag, 21. Mai 2006)

Wir fahren wieder nach Hause ins schöne Siegtal. Bei Eisenach werfe ich noch einen letzten Blick auf den Rennsteig, der immer noch etwas mürrisch vor uns liegt: "Machs gut, Du oller Riese. Du hast es uns wirklich nicht leicht gemacht. Aber es war trotzdem ein sehr schönes Erlebnis, Dich laufend zu erkunden. Wir kommen im nächsten Jahr wieder, wenn es die Zeit und unsere Gesundheit zulassen. Ob nun laufend oder wandernd, Du bist immer eine Reise wert." Antje

nach oben