Medoc Marathon 09.09.2006

 

Links:   Bericht Konrad Waßmann

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Ergebnisse:

09.09.2006 Medoc Marathon
Strecke
Zeit
Platz Gesamt
Platz AK
AK
Konrad Wassmann

42,195 km

5:32:05 2899/7108 591 M50

 

 

Eine Herausforderung für Lunge und Leber - der Medoc-Marathon 9. September 2006

 

 

Zu meinem 50. Geburtstag bekam ich von meiner Herzallerliebsten ein besonderes Geschenk - die Teilnahme am Medoc-Marathon in Paulliac bei Bordeaux. Gehört hatte ich schon davon, es soll ja der längste Marathon der Welt sein. Angeblich laufen die Teilnehmer nach einiger Zeit Schlangenlinien und verlängern somit ungewollt die Laufstrecke. Daran Schuld sollten die vielen Rotweinverkostungsstellen sein. Soweit mein Wissen im Dezember 2005. Diese Informationen konnte ich bei meiner Recherche im Internet verifizieren. Der Medoc-Marathon steht ganz im Zeichen des Rotweines. Die Laufstrecke führt an zahlreichen Chateaus mit ihren bekannten Grand Crus vorbei. Nun hatte ich genug Zeit, mich auf diesen besonderen Lauf vorzubereiten. Der läuferische Anteil ist ja mittlerweile Routine. Nach drei Frühjahrsmarathons, mehreren Halbmarathons und dem Bieler Hunderter war ich sportlich einigermaßen auf der Höhe. Aber wie sollte ich mich auf die über zwanzig Rotweinverpflegungsstellen vorbereiten (ja, ihr habt richtig gelesen: es soll zwanzig mal Rotwein an die LäuferInnen ausgeschenkt werden)? Die Rotweingrundlagenausdauer war schnell erreicht. Schließlich wohne ich an der Ahr und laufe viel auf dem Rotweinwanderweg. Also wurde der Keller mit Spätburgunder gefüllt und lange Trinkeinheiten regelmäßig geübt. Sorge bereitete mir meine Trinkschnelligkeit. Aber auch hier kam mir mein Wohnort zu Hilfe. Seit Mitte August gab es an der Ahr Weinfeste. Von den durch die Ortschaften ziehenden Motivwagen werden nicht Kamellen geworfen, sondern es wird Rotwein ausgeschenkt! Den letzten Schliff habe ich mir am 2.9.06 beim Weinfest in Ahrweiler geholt. In regelmäßigen, recht kurzen Abständen wurde Rotwein kostenlos in mein Glas gefüllt. Damit hatte ich mein Rotweinintervalltraining erfolgreich abgeschlossen. Bestens vorbereitet konnte es gen Süden gehen. Mit dem Auto fuhren wir schon am 7.9. nach Bordeaux. Dort trafen wir am nächsten Tag mit dem Rest der Sportreisegruppe zusammen. Sie war mit dem Bus über Nacht angereist. Achim Wricke und sein Team von InterAir bemühte sich von Anfang an sehr professionell um unser Wohl. Keine Frage blieb offen und ständig stand ein Ansprechpartner zur Verfügung. Letzte läuferische Hinweise gab es vom mitgereisten Herbert Steffny.

Erstes Highlight war der Besuch der Pasta Party am Freitag Abend. Der Ort Paulliac hat ca. 3500 Einwohner. Über ihn fallen ca. 8000 LäuferInnen und unzählige BegleiterInnen her. Diesen Ansturm hat man geschickt aufgefangen. Zwischen dem Ort und dem Fluss Gironde zieht sich eine herrliche Platanenallee am Flussufer entlang. Dort waren zahlreiche Stände mit regionalen Köstlichkeiten aufgebaut. Neben der kleinen Sporthalle mit ebenso kleiner Marathonmesse stand noch zusätzlich ein großes Zelt für die Party. Nach einer kurzen Wartezeit ging es los. Und hier waren erste deutliche Unterschiede zu anderen Pasta Partys festzustellen. Schon vor dem Eingang wurde von netten Damen ein Aperitif gereicht. Im Zelteingang nahm man sich echte Porzellanteller und ein Metallbesteck. Als Beilage für die obligatorischen Spaghettis standen vier Soßen zur Wahl. Eine Süßspeise, Käse und Brot rundeten das Angebot ab. Die Tische waren bereits reichlich mit Wasser und Rotwein eingedeckt. Eine Musikgruppe fing an heiße Rhythmen zu spielen und schon brannte die Luft. Die Bühne wurde von verkleideten LäuferInnen gestürmt. Die von der Band mitgebrachten Eintänzerinnen verzogen sich rasch in den Hintergrund. Es wurde getanzt und gefeiert. Die internationalen Teilnehmer verstanden sich mit zunehmendem Rotweingenuss immer besser. Der Band wurde keine Ruhepause gegönnt. Eine Festveranstaltung im rheinischen Karneval ist dagegen lahmarschig. Wenn nicht der Bus zurück ins Hotel gefahren wäre, hätten einige LäuferInnen sicher bis zum Start des Marathons durchgefeiert. Der war am nächsten Morgen um 09:30 Uhr. Rechtzeitig vorher trafen wir wieder in Paulliac ein. Es besteht zwar kein Verkleidungszwang, wer aber nur im schlichten Läuferdress erscheint, fällt auf wie ein Fremdkörper. Der Verkleidungsfantasie waren keine Grenzen gesetzt. Selbst große geschmückte Wagen wurden mitgeführt. Auf der mittlerweile gut bekannten Platanenallee versammelte sich das illustre Läuferfeld in allerbester Stimmung. Die Party vom Vorabend ging nahtlos weiter. Mit typischer französischer Gelassenheit fand auch irgendwann der Start statt. Wer nun glaubt, es geht los, der ist auf dem Holzweg. Bis die vielen Gruppen, Wagen und verkleideten LäuferInnen in Schwung kamen, verging eine geraume Zeit. Das war allen aber völlig egal – Hauptsache die Stimmung ist gut. Da Paulliac mitten im Haut Medoc liegt, waren wir dann doch bald in den Weinfeldern (Weinberge gibt es hier nicht, denn es ist sehr eben). Nach zwei km der erste Stopp an einem Weingut. Ja, Ihr habt richtig gehört – Weingut! Natürlich wird auf dem Medoc-Marathon auch Wasser ausgegeben, aber der Reiz liegt in der Verkostung des Bordeauxweines. Und dafür hat man ca. zwanzig Mal die Gelegenheit, einfach in Plastikbechern, gehobener in Wassergläser oder sogar stilvoll in richtigen Weingläsern. Herrliches Wetter und schöne Umgebung machten den Lauf zu einem Erlebnis. Die Laufstrecke führt permanent durch die prima in Schuss gehaltenen Weinfelder, z.B. auch bei so bekannten Namen wie Lafite Rothschild. Konkurrenzgedanken gibt es nur bei ein paar Eliteläufern, die für den Sieg ihr Körpergewicht in Rotwein aufgewogen bekommen. Die HobbyläuferInnen haben einfach nur ihren Spaß. So passierte es, dass eine kleine verkleidete Männertruppe sich an einem Angelsee die Kostüme vom Körper riss und pudelarschnackig erst Mal ein Bad nimmt – ganz zum Erstaunen des daneben am Ufer sitzenden Anglers. Gut abgekühlt ging es dann wieder auf die Strecke. Jeder Stopp an einem Chateau ist ein Highlight. In die herrschaftlichen Gärten kommt man sonst nämlich nicht rein. Sozialbauten sucht man dabei vergeblich. Große, zum Teil sehr große äußerst repräsentative Bauten mit exzellent gepflegten Parks laden zum Verweilen ein. Meist spielt noch eine Band auf. So wird jeder Halt zum Happening. Wer noch Kraft hat, wagt auch schon mal ein Tänzchen. Natürlich wird auch feste Nahrung gereicht. Die Kohlehydratspeicher können mit Obst, Kuchen, Käse und gebratenem Fleisch wieder aufgefüllt werden. Auf die Austern mussten wir allerdings wegen Verunreinigung der Austernbänke verzichten. Sie sind sonst bei km 38 im Angebot. Aber auch der schönste Marathon geht mal zu Ende. Die letzten 195 m werden auf einem weinroten Teppich zurückgelegt. Zielankünfte unter vier Stunden werden ausgebuht! Mit meiner neuen schlechtesten Marathonzeit von 5:32 Std konnte ich dieser Schmach entgehen und lag immer noch deutlich in der ersten Hälfte des Feldes. Nur gut, dass ich nicht zur Dopingkontrolle musste – oder zählt Alkohol nicht zum Doping? Im Ziel bekommen alle Finisher eine Medaille, eine Flasche Rotwein im hölzernen Geschenkkarton, eine hölzerne Erinnerungstafel, Badelatschen und einen Rucksack. In Zelten setzt sich die Bewirtung ohne Ende fort. Jetzt wird auch Bier ausgeschenkt, aber nur aus medizinischen Gründen, weil es so schön isotonisch ist. Anschließend wurde unsere Reisegruppe per Bus für einen Zwischenstopp ins Hotel gebracht. Nach angemessener Erholung ging es wieder nach Paulliac, zur After-Marathon-Party. Wieder musste die Platanenallee (ihr erinnert Euch?) herhalten. Mehrere Bands und Freiluftlokale sorgten für geistige und körperliche Nahrung. Wieder ging die Post ab. Für uns bedeutete das großartige Feuerwerk über der Gironde den gelungenen Abschluss dieses ereignisreichen Tages. Nun galt es etwas schneller zu schlafen, denn am Sonntag stand schon früh die Rotweinwanderung, die „Balade“ auf dem Programm. Im parkähnlichen Garten eines Chateaus versammelten sich ca. 1500 Menschen, bewaffneten sich mit Trinkschälchen und begaben sich nach einem kräftigen Startschuss auf eine 12 km lange Wanderung durch die Weinfelder. Am dritten Tag in Folge präsentierte sich das Wetter von seiner schönsten Seite. Die Stimmung war immer noch super und die erste Rotweinverkostungsstelle bald erreicht. Auf einem Dorfplatz spielte eine große Kapelle zur Unterhaltung auf. Es wurde Rodonkuchen und natürlich wieder Rotwein in jeglicher Menge gereicht. Jetzt konnte man sogar mehrere Sorten probieren und so seinen Lieblingswein oder –jahrgang finden. Im nächsten Chateau das altbekannte Bild: wieder eine Kapelle, noch mehr Rotwein, ein offener Weinkeller mit riesigen Gewölben, in denen bis zum Horizont Barriquefässer lagerten. Die ohnehin gute Stimmung wurde immer besser. Selten in meinem Leben habe ich eine solch freundliche und entspannte Atmosphäre zwischen wildfremden Menschen erlebt wie hier. Sport verbindet und Laufen wohl erst recht. Nach drei Stunden war unser Ausgangspunkt wieder erreicht und die letzte Phase wurde eingeläutet – standesgemäß mit einem Aperitif im Park. Derweil wartete in einem großen Zelt bereits das Essen auf uns. Hier gab es den einzigen Kritikpunkt an der sonst so tadellosen französischen Organisation. Leider standen am Buffet viel zu wenig Zugänge zur Verfügung. Lange Wartezeiten waren damit vorprogrammiert. Wer später kam, ging sogar ganz ohne Essen aus. Dafür stand wieder reichlich Wasser und Rotwein bereit. Leere Weinflaschen konnte man selbst aus Barriquefässern auffüllen. Ihr ahnt es schon, auch hier spielte eine Band zum Tanz auf und auch dieses Mal hatten die Eintänzerinnen keine Chance gegen gut trainierte Marathonis. Nach dem Essen stand Lustwandeln auf dem Programm. Im Garten wuchsen bemerkenswerte Bäume, selbst ein paar kleine Palmen waren darunter und sorgten für Südseefeeling. Ein gelungener Abschluss für einen gelungenen Tag und eine gelungene Laufveranstaltung. Nun könnte der Eindruck entstanden sein, dass es sich beim Medoc-Marathon um ein einziges Saufgelage gehandelt hat. Das ist völlig falsch. Wie immer im Leben kommt es auf die Dosis an. LäuferInnen sind körperbewusst. Sie wissen, was sie sich zutrauen können. Schnapsleichen und Randalierer suchte man vergebens. Es bestand ständig eine fröhliche, sehr angenehme familiäre Stimmung.

 

Was ist das Besondere dieses Laufes? Der Medoc-Marathon ist eine Laufveranstaltung für LäuferInnen, die Sport und Spaß mal ganz anders kombinieren wollen. Freude am Zusammensein mit Menschen anderer Nationen, Laufen ohne Leistungsgedanken und Wohlgefallen am Rotwein machen den Reiz dieses Laufes aus. Aber Achtung: es besteht die Gefahr, Wiederholungstäter zu werden!

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